Die Ausbreitung der spätägyptischen und gräco-ägyptischen Religion in den Mittelmeerraum ist seit den 60er Jahren des 19. Jhs. ein weitreichend diskutierter Aspekt der Geschichts-, Religions- und Kulturwissenschaften. Die außerhalb Ägyptens verehrten Gottheiten waren vornehmlich Isis, Sarapis, Harpokrates, Anubis und Osiris. Besonders Isis und der unter König Ptolemaios I. in den ägyptischen Götterkreis aufgenommene Sarapis waren galten im hellenistischen Ägypten als Universalgottheiten, die auch außerhalb des Mutterlandes, zunächst besonders im östlichen Mittelmeerraum, eine schnell Verbreitung und Anhängerschaft fanden. Untersucht wurden von Seiten der Altertumswissenschaften die sich auf den Kult beziehenden griechischen und lateinischen Schriftquellen, die ikonographischen Zeugnisse und - getrennt für sich genommen -die archäologisch nachweisbaren Heiligtumsanlagen.
Eine funktionsanalytische und vergleichende Untersuchung der Architektur der Heiligtümer gräco-ägyptischer Götter und eine Interdependenz mit dem die Kultstätten erfüllenden Leben wurde aufgrund dieser in der Forschung bestehenden Lücke mit dieser Arbeit unternommen. Aus dem interdisziplinären Austausch der Klassischen Archäologie und der Ägyptologie am Archäologischen Institut der Universität Hamburg resultierte bereits meine Magisterarbeit (siehe Post: Der Anfang...), die als Vorarbeit der Dissertation anzusehen ist, aber sich damals mit nur einem baulichen Element, den so genannten Wasserkrypten, beschäftigen konnte. Das Ziel der vorliegenden Arbeit bestand darin, die kultspezifischen Besonderheiten der für den Kult der gräco-ägyptischen Götter im Mittelmeerraum errichteten Heiligtümer insgesamt herauszuarbeiten.
Meine Untersuchung stützt sich in erster Linie auf die Analyse der Architektur und der Ausstattung von 69 Heiligtümern gräco-ägyptischen Gottheiten, die an verschiedenen Orten des Mittelmeerraums errichtet sind, aber auch auf literarische, epigrafische und ikonografische Quellen zu den Göttern und ihren Kulten. Der zeitliche Untersuchungsrahmen erstreckte sich vom Beginn der hellenistischen Zeit bis in die römische Kaiserzeit.
Die Arbeit besteht aus zwei Teilen, einer Abhandlung (Teil I) und einem Katalogband (Teil II) mit anschließendem Tafelteil. Das der Untersuchung zugrunde liegende Material von 69 Heiligtümern wurde in dem nach regionalen Gesichtspunkten geordneten Katalog (Teil II) zusammengestellt. Jeder Eintrag enthält Angaben zur Topografie des Ortes, an dem sich ein Heiligtum befindet, sowie einen oder auch mehrere Grundrisspläne des jeweiligen Heiligtums, der durch entsprechende Abbildungen ergänzt ist. Nach einem Abriss der Forschungsgeschichte werden Angaben zur Architektur und Ausstattung des jeweiligen Heiligtums und zu den Funden gemacht. Ein weiterer Abschnitt enthält Hinweise auf die relevanten schriftlichen Quellen griechischer und lateinischer Autoren, die auf das Heiligtum Bezug nehmen, und epigrafische Inschriften, die vor Ort gefunden wurden. Es folgen zum Schluss eines jeden Katalogeintrags ein Vorschlag zur Datierung der Bauphasen sowie eine Identifizierung der Gottheiten, die im Heiligtum verehrt wurden. Den Abschluss eines jeden Eintrags bildet die Bibliografie des jeweiligen Heiligtums, bei denen Inschriftpublikationen und Ausgrabungsberichte von der übrigen Literatur gesondert wurden.
Dieser Katalog (Teil II) bildet die Grundlage für die im Teil I durchgeführte systematische Untersuchung der Heiligtümer gräco-ägyptischer Götter. Nach einem Abschnitt zu den für die Untersuchung relevanten altägyptischen Göttern in ihrer interpretatio graeca wird das Vorkommen der Heiligtümer der gräco-ägyptischen Götter in der Mittelmeerwelt nach Regionen beschrieben und auf deren inneren Zusammenhang hin überprüft. Dabei werden ergänzend zu den im Katalog aufgeführten Heiligtümer auch solche genannt, die zerstört, verschollen oder noch nicht ausgegraben sind, und von denen man ausschließlich aus Inschriften und Texten Kenntnis hat. Am Ende der einzelnen Abschnitte fassen Tabellen mit Angabe zur Datierung der Heiligtümer, zu den in den Heiligtümern verehrten Gottheiten, zur Lage der Heiligtümer innerhalb eines Bauverbundes und der Kulttopografie zusammen.
Die archäologische Analyse der Heiligtümer der gräco-ägyptischen Götter nimmt das vierte Kapitel ein. Hier werden sämtliche archäologisch fassbare Heiligtümer des Mittelmeerraums einem systematischen Vergleich unterzogen und werden die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den einzelnen Heiligtümern im gesamten Mittelmeerraum herausgearbeitet. Ergänzend wird stets ein Rückbezug zu den möglichen altägyptischen Vorbildern genommen, wodurch die Architektur und die Kulte der Heiligtümer gräco-ägyptischen Götter vor die Folie der Architektur der klassischen altägyptischen Tempel und deren Kulte gestellt und dazu abweichend bewertet werden. Die Analyse erstreckt sich auf sämtliche Elemente einer Tempelanlage, wie die Topografie der Heiligtümer, die Analyse der Architekturbestandteile des Heiligtums selbst, also von Hof, Tempel und Cella, dem Aufstellungsort des Kultbildes, sowie die Behandlung weiterer Einrichtungen, so der Altäre und der Opferstätten, der Brunnen und Wasserkrypten, für die im Kult der gräco-ägytischen Götter besonders bedeutsamen Wasserversorgung, und von Nebeneinrichtungen, zu denen die Versammlungsräume von Kultgemeinschaften, Bibliotheken, Priesterhäuser und Pilgerherbergen gehören.
Im fünften Kapitel wird das Geschehen innerhalb des Heiligtums herausgestellt. Hierzu werden griechische und lateinische literarischen Texte (u.a. Plutarch und Apuleius) sowie epigrafischen Zeugnisse mit den aus der Archäologie gewonnenen Informationen verbunden. Sieben verschiedene Aspekte der Nutzung der Heiligtümer werden hierzu behandelt. Unter dem rituellen Aspekt wird die Durchführung der Kulte und der Rituale behandelt. Der emotionale Aspekt geht Fragen der Beleuchtung und der untermalenden Begleitung der Handlungen mit Musik und durch andere Geräusche nach. Die Art der Sichtbarmachung des Kultbilds und seiner Aufstellung und Pflege im täglichen Ritual und bei Festgeschehen wird unter dem Gesichtspunkt des mythischen Aspektes behandelt. Der dogmatische Aspekt veranschaulicht die Hierarchie und Bedeutung der Priesterschaft, die wiederum im Zusammenhang mit dem ethischen Aspekt, der Vorschriften der Reinheit und der Enthaltsamkeit bei bestimmten Speisen, stehen. Der soziale Aspekt untersucht die Anhängerschaft der gräco-ägyptischen Gottheiten, im Speziellen die Kultgemeinschaften, sowie die soziale Schichtung der Anhänger der gräco-ägyptischen Gottheiten, und letztlich auch die Frage, wo und bei welchen Gelegenheiten sich die Anhänger der Gottheiten zum gemeinsamen Mahl oder zur Mysterienweihe treffen. Kurz angesprochen wird außerdem, aber nicht ausführlich behandelt, da an anderer Stelle schon geschehen, die Bewertung der Ausstattung der Heiligtümer der gräco-ägyptischen Götter mit original ägyptischen Denkmälern oder mit ägyptisierenden Elementen als Kennzeichen des materiellen Aspektes.
Mit dieser Untersuchung konnte ein Einblick in die allen Heiligtümern gräco-ägyptischer Götter gemeinsamen Merkmale der Architektur sowie eine Einsicht in die religiösen und sozialen Aspekte der in diesen Heiligtümern ausgeübten Kulte gewonnen werden. Ausgehend von einer genauen Analyse der Architektur der Heiligtümer war es mir zum einen möglich, die baugeschichtlichen Charakteristika und Beziehungen herauszuarbeiten, und zum anderen die bis heute unzureichend geklärte Korrespondenz von Raumgestaltung und antiker Kultpraxis zu analysieren.
Die Untersuchung wir bei der Wernerschen Verlagsgesellschaft in Worms am Rhein/Germany erscheinen; voraussichtlich im Sommer 2008. Die Drucklegung wird durch eine Zuwendung der VG Wort ermöglicht.